„Armut bedroht Alle" heißt das Motto der diesjährigen landesweiten Aktionswoche gegen die Armut, die bis 23. Oktober stattfindet. In Zusammenarbeit mit der Liga der freien Wohlfahrtspflege stellen die BNN in dieser Woche an jedem Erscheinungstag ein konkretes Projekt der in der Liga zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände vor.
Nachschub für den Tafelladen der Beiertheimer Tafel: Mitarbeiter Uwe Schönbeck füllt die Regale auf.jodo
Tüte Karotten: 30 Cent. Avocado: zehn Cent. Kohlrabi: fünf Cent. Für Normalverbraucher klingt das nach traumhaften Preisen, für die Kunden der Beiertheimer Tafel ist es eine von wenigen Möglichkeiten, an frisches Gemüse zu gelangen. An Lebensmittel mit kleinen Schönheitsfehlern oder kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Werktags ab 6.45 Uhr holen die Mitarbeiter des Tafelladens in 70 Karlsruher Supermärkten und Bäckereien sowie 15 Pfarrgemeinden gespendete Waren ab, über den Verbund der Tafelläden gibt's zusätzlich Lebensmittel aus Produktionsüberschüssen direkt vom Hersteller.
„Wir haben drei Kühlfahrzeuge, die Lebensmittelkontrollen sind bei uns so streng wir anderswo", erklärt Marktleiter Ralph Beck. Die Kühlkette darf nicht unterbrochen, Fleisch nicht umverpackt abgegeben, die Brottüten werden nicht verknotet. „Unser Sorgenkind ist die Kühltheke", erklärt Ralph Beck. „Dort haben wir immer zu wenig Molkereiprodukte und Fleischwaren. Der Konkurrenzkampf ist härter geworden, die Supermärkte zeichnen ihr Fleisch jetzt bis zum Stichtag runter."
Das Gemüse wird im Transporter vorsortiert und in der Warenaufbereitung hübsch gemacht. Welke Salatblätter zupfen die Mitarbeiter ab, kaputte Eier sortieren sie aus. Alles soll aussehen wie in einem normalen Laden. „Wir verkaufen die Sachen zu zehn bis 15 Prozent ihres früheren Preises, das gibt ihnen einen gewissen Wert. So begegnen wir bedürftigen Menschen auf Augenhöhe, statt ihnen Almosen zu geben.
Sie entscheiden selbst, was sie einkaufen möchten", sagt Hans-Gerd Köhler, Vorstand der Caritas, der die Beiertheimer Tafel angehört. 47 Mitarbeiter holen die Ware ab, bereiten sie auf und räumen sie ein. Knapp die Hälfte sind Ein-Euro-Jobber, die nach langer Arbeitslosigkeit wieder fit fürs Berufsleben werden wollen. „Im Tafelladen trainieren sie Pünktlichkeit und Durchhaltevermögen. Und es baut Selbstbewusstsein auf, dass sie gebraucht werden", so Köhler.
Bis zu 300 Kunden kaufen täglich im Tafelladen in der Marie-Alexandra-Straße ein, zwischendurch schließt er für eine Stunde, damit die Regale nachgefüllt werden können. „Wenn wir das bei laufendem Betrieb machen, reißen uns Kunden die Waren von den Paletten", weiß Marktleiter Beck. Die preiswerten Lebensmittel sind begehrt. Allerdings darf sie nur der nach Hause tragen, der einen gültigen Kundenausweis besitzt. Er ist - außer bei Rentnern - auf ein Jahr befristet und enthält die Information, wie viele Personen im Haushalt versorgt werden. „Wir geben an jeden Kunden nur haushaltsübliche Mengen ab, damit das Tagessortiment für alle reicht. Es kommt aber trotzdem immer wieder zu Diskussionen an der Kasse", schildert Ralph Beck seinen Alltag. „Allerdings haben unsere Mitarbeiter viel Erfahrung und kennen die Situation der Stammkunden."
Wenn auch Kinder auf der Karte stehen, gäben die Mitarbeiter Lebensmittel sowieso wesentlich großzügiger aus, erklärt der Marktleiter. 1 500 gültige Ausweise hat der Beiertheimer Tafelladen aktuell vergeben, insgesamt 2 500 Menschen profitieren davon. Die Nachfrage nach den Kärtchen steigt, besonders bei älteren Menschen, deren Rente zu gering ausfällt.
„Die Senioren haben oft Hemmungen, zu uns zu kommen. Entweder, weil sie nicht wissen, dass sie hier einkaufsberechtigt sind - oder weil sie sich schämen", sagt Caritas-Vorstand Köhler. „Ich kenne eine Seniorin, die hat sich ein halbes Jahr lang nur von Mehlsuppe ernährt, um Geld zu sparen." Dabei sieht im Tafelladen nicht nur das Sortiment, sondern auch die Kundschaft aus wie in jedem, anderen Discounter auch. „Die eigene Armut zu verbergen, das gehört eben auch zum Überlebenskampf", sagt Hans-Gerd Köhler.
Nina Setzler, BNN
Spendenkonto
Caritasverband Karlsruhe e.V., Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 660 205 00, Konto 17 417 00, Stichwort „Beiertheimer Tafel“ oder IBAN DE17 6602 0500 0001 7417 00 BIC/SWIFT BFSWDE33KRL