Schilder mit der Aufschrift „Kiss & Go“ hängen seit Jahren an den Eingangstüren vieler Grundschulen und Kindertagesstätten. Hier ein Abschiedskuss und dann bitte gehen, lautet die unmissverständliche Aufforderung an die Eltern. Seit Anfang Oktober hängt ein solches Schild auch im Eingangsbereich des Seniorenzentrums St. Franziskus des Caritasverbandes in der Südweststadt. Die Querverbindung von der Tagespflege zur Kinderbetreuung wurde bewusst hergestellt, sagt der Karlsruher Caritasvorsitzende Hans-Gerd Köhler, „denn auch bei unserem Angebot geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ In der Tagespflege werden nämlich ältere und pflegebedürftige Menschen betreut, die noch in den eigenen vier Wänden wohnen und dort von ihren Angehörigen gepflegt werden. „Sobald die Pflegebedürftigen nicht mehr alleine zu Hause bleiben können oder sich tagsüber einfach einsam fühlen, haben die Angehörigen ein Problem“, weiß Köhler, „und früher oder später leidet darunter auch die Arbeit.“ Die Tagespflege sei deshalb ein Entlastungsangebot für die Angehörigen, die sich tagsüber ihrem Beruf und abends und am Wochenende wieder der Pflege widmen könnten. Insgesamt 14 Tagespflegeplätze gibt es im Seniorenzentrum St. Franziskus.
Die Betreuung beginnt morgens mit einem gemeinsamen Frühstück, dann folgen Be-schäftigungsangebote, Mittagessen, Mittagsruhe, Nachmittagsangebote und Kaffee-tafel. „Wer Lust hat, kann gerne beim gemeinsamen Kochen helfen“, sagt Tagespfle-geleiterin Stefanie Teuser, „und wenn sich jemand nur bekochen lassen will, ist das auch in Ordnung.“ Ohnehin würde bei der Tagespflege sehr auf die individuellen Bedürfnisse geschaut, und bei der Gestaltung des Tages könnte jeder seine Wünsche mit einbringen. „Gesellschaftsspiele sind ebenso möglich wie Basteln, Lesen oder Fernsehen“, sagt Teuser. Zum Ausruhen gibt es in den Ruheräumen Liegesessel und zwei Betten. Bisher gelten Öffnungszeiten von 7.30 bis 16.30 Uhr, die laut Teuser aber auch bedarfsgerecht angepasst werden können. Und für die Betreuung während des Urlaubs gibt es die Kurzzeitpflege.
Die Pflegekasse übernimmt allerdings nur einen Teil der Kosten. Wie viel die Ange-hörigen aus eigener Tasche bezahlen müssen, hängt auch von der Pflegestufe ab, für vier Tage in der Woche bei Pflegestufe 1 beträgt der Eigenanteil pro Monat gut 400 Euro. „Ein Teil davon kann aber sogar wieder rückerstattet werden“, so Köhler, „und mindestens zwei Mahlzeiten pro Tag gehören ja auch zum Angebot.“
Die Lage inmitten eines Gewerbegebiets mit 6 500 Arbeitsplätzen im Dienstleis-tungssektor bezeichnet Köhler als „geradezu ideal“ für ein derartiges Angebot. In den vergangenen Monaten hat Caritas-Beraterin Martina Maier-Luck bei den Unternehmen in der Umgebung bereits kräftig die Werbetrommel geschlagen. „Bislang ist das Thema noch nicht so richtig bei den Firmen angekommen“, so ihr Fazit. „Meistens steht bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch die Kinderbetreuung im Fokus.“
Ekart Kinkel - Badische Neueste Nachrichten