Martin Langenbahn, Teamleiter der Schuldnerberatung (Mitte) und Hans-Gerd Köhler, 1. Vorstand des Caritasverbandes Karlsruhe im Gespräch mit der Presse cvka
Trotz der allgemein guten wirtschaftlichen Situation bleibt die Zahl verschuldeter Menschen in Karlsruhe unverändert. Etwa 305 neue Beratungsanfragen kamen 2016 auf das Schuldnerberatungsteam der Caritas zu, 2015 waren es knapp 256, wobei 193 Beratungsfälle aus vorhergehenden Jahren stammten. Vier Berater mit zusammen eineinhalb Stellen sowie eine Teilzeit-Verwaltungsstelle zählt Martin Langenbahn, Teamleiter der Schuldnerberatung. „Neben uns berät auch die Stadt Karlsruhe Schuldner“, erklärt er. Dort gebe es momentan eine Beratungsstelle, bald würden es zwei. „Insgesamt existieren dann 3,5 Beratungsstellen für Schuldner, bei Karlsruhes Größe wären jedoch sechs Stellen nötig“, sagt Langenbahn.
Die Folge für die Ratsuchenden sind Wartezeiten von mehreren Monaten.Wer allerdings vor einer existenziellen Bedrohung steht, wem etwa schon eine Kontopfändung oder Stromsperre droht, erhält auch kurzfristig Beratung. „Die meisten Menschen wissen nicht, was ihnen bei Überschuldung passieren kann. Viele denken, sie könnten sogar ins Gefängnis kommen, und sind deshalb nervlich völlig fertig, wenn sie zu uns kommen. Wir versuchen dann, Ängste zu nehmen, und klären die Betroffenen schnell darüber auf, welche Rechte sie haben - dass sie beispielsweise auch nicht einfach aus ihrer Wohnung herausgeklagt werden können“, so Langenbahn.
Zunächst wird die Situation des Schuldners abgesichert, dann eine Strategie zum Abbau der Schulden entwickelt. Ist die Finanzlage analysiert, müssen die Einnahmen erhöht werden. „Manchmal können Gelder beantragt werden, von denen die Leute gar nichts wissen, zum Beispiel Wohngeld“, sagt Langenbahn. Auch Einsparungen in der Haushaltsplanung und eine ganzheitliche Hilfeplanung setzen der Teamleiter und seine Kollegen auf. Dazu gehört auch die Einigung mit Gläubigern oder die Begleitung durch ein Insolvenzverfahren, wenn nötig mit anwaltlicher Hilfe.
Klassische Gründe für Überschuldung sind Trennung oder Langzeitarbeitslosigkeit, berichtet Langenbahn. Dabei halte sich das Verhältnis von Männern und Frauen ebenso die Waage wie das von Einkommensberechtigten und Sozialhilfeempfängern. In Karlsruhe wie bundesweit sind die meisten Menschen, die in der Schuldnerberatung Hilfe suchen, 35 bis 55 Jahre alt. In dieser Altersgruppe treten die größten finanziellen Belastungen auf, etwa durch Familiengründung oder Hauskauf. Der größte Anteil der Ratsuchenden ist ledig, gefolgt von Geschiedenen. Alleinerziehende haben ein hohes Überschuldungsrisiko, „was logisch ist, wenn die Personenzahl im Haushalt wächst und womöglich Unterhaltszahlungen ausbleiben“, erklärt Langenbahn.
„Das Klischee, Überschuldete könnten nicht mit Geld umgehen, trifft auf weniger als zehn Prozent zu“, so Langenbahn. Weit öfter führten Schicksalsschläge zu Einkommensverlust, während Kredite weiter bedient werden müssen. „Könnten Banken und andere Gläubiger längere Stundungen gewähren, würden viele Menschen nicht in die Überschuldung rutschen“, sagt er. An Zahlungsmoral hapere es oft nicht: „Viele sitzen hier und wollen ihre Schulden bezahlen, können es aber zeitweise nicht.“
Die Schuldnerberatung der Caritas berät Menschen mit Einkommen jeder Art außer Selbstständigen, die Schuldnerberatung der Stadt vorwiegend Bezieher von Arbeitslosen- und Sozialgeld sowie Wohnungslose.
Nina Setzler, BNN