Der Geldbeutel ist weg! Hausschlüssel, Ausweis, Geld - alles weg. Als Patrick auf dem Weg zur Schule den Verlust bemerkt, ist der Schreck groß. Mit Hilfe seiner Freunde macht sich der Junge auf die Suche. Wo kann der Geldbeutel nur sein? Im Supermarkt? Auf dem Spielplatz vielleicht? Oder hat Patrick ihn bei der "Eis-Oma" verloren? Die Suche nach der Geldbörse wird für die Kinder zu einem großen Stadtteilabenteuer. Der ein oder andere Zuschauer wird bei der "Eis-Oma" vielleicht hellhörig. Ist das nicht eine Eisdiele in der Grünwinkler Heidenstückersiedlung? Richtig! Das Stadtteilabenteuer spielt nämlich in Grünwinkel, und die kleinen Protagonisten des Stücks sind auch in ihrem echten Leben alle in dem Stadtteil an der Alb Zuhause.
Das Kindertheaterstück "Stadtteilen" hatte .gestern Abend im Tollhaus Premiere. Es ist ein besonderes Stück, das der Werkraum Karlsruhe, ein freies, kulturpolitisches Netzwerk für Theater, Film und Soziales aus der Südstadt, mit acht Kindern im Alter von sieben bis zwölf Jahren erarbeitet und auf die Bühne gebracht hat. Fünf der Jungen und Mädchen kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und
aus Tadschikistan und leben derzeit im Übergangswohnheim in der Bernsteinstraße in Grünwinkel. Dort hatte auch alles begonnen - mit einigen Schnupper-Workshops, die die Theater- und Medienpä-dagogen des Werkraums für die dort lebenden Kinder gestalteten. Daraus entstand dann die Idee für das Stück und seit Juni wurde fleißig in einem Raum geprobt, den die katholische Gemeinde St. Josef den Theaterleuten zur Verfügung stellte.
"Den Kindern, die teilweise aus Kulturen stammen, in denen kulturelle Bildung keinen so hohen Stellenwert hat, machte das riesig Spaß. Sprachlich haben sich die Kinder wahnsinnig entwickelt. Und sie haben auch sehr viel Selbstvertrauen gewonnen", erzählt Susanne Henneberger. Die freiberufliche Schauspielerin und Theaterpädagogin führte gemeinsam mit Angéline Debord Regie. Die Künstler arbeiteten nicht mit einem vorgefertigten Theaterstück. "Es ist über Improvisation entstanden. Die Texte kommen von den Teilnehmern selbst. Die Kinder haben ihre eigenen Erlebnisse und Ideen eingebracht", so Henneberger. Unter anderem bekamen die Kinder drei Wochen lang eine Kame¬ra in die Hand und sollten damit Dinge aus ihrem Alltag filmen, die ihnen wichtig sind. Unterstützt wurden sie dabei vom Medienpädagogen Murad Atshan. Die Videos sind in das Stück eingebettet. "Es geht in "Stadtteilen' auch darum, wie Kinder in unterschiedlichen Realitäten im Stadtteil leben, wo sie sich begegnen, wie es bei ihnen daheim ist, oder auch wie es in ihrem alten Zuhause in Syrien oder Afghanistan war", so Henneberger.
Möglich wurde das Theaterprojekt durch eine Kooperation mit dem Caritasverband Karlsruhe und dem Kulturzentrum Tollhaus, das seinen Saal für die drei Aufführungen sowie das technische Equipment kostenfrei zur Verfügung stellte. Gefördert wird das Theaterprojekt durch das Konzept "Jugend ins Zentrum" der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren. Hintergrund ist das Programm "Kultur macht stark, Bündnisse für Bildung", das das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf den Weg gebracht hat. "Eine Fortsetzung des Projekts könnten wir uns gut vorstellen", betont Werkraum-Geschäftsführer Jürgen Sihler.
Iria Villhauer, Teamleiterin beim Öku-menischen Migrationsdienst, der unter anderem für soziale Beratung und Begleitung im Übergangswohnheim zuständig ist, war von dem Projekt ebenso begeistert wie Nicole Noack, die die Menschen in der Bernsteinstraße berät und begleitet. "Die Workshops kamen bei den Kindern sehr gut an. Theater ist ein gutes Mittel, um Sprachbarrieren abzubauen und die Sprache zu vertiefen", sagt Noack. Aktuell leben 200 Menschen in der Bernsteinstraße 13, davon sind 70 Kinder. Es sind vor allem Kontingentflüchtlinge aus Syrien und Afghanistan sowie russische Juden.
Termin
Das Theaterstück "Stadtteilen" ist am heutigen Mittwoch um 11 Uhr und am morgigen Donnerstag um 18 Uhr im Tollhaus zu sehen. Der Eintritt ist frei.
BNN, Patrizia Kaluzny